DAS IST DIE VERANTWORTUNG

Das Ensemble der BURG liest Texte für eine demokratische Gesellschaft.
Jeden Donnerstag ab 18:00 Uhr auf YouTube, Spotify und der BURG-Website.

Digital
Caroline Peters im pinken Gorillakostüm
© Tommy Hetzel

Gelesen von Klaus Maria Brandauer, Norman Hacker, Franziska Hackl, Jonas Hackmann, Stefko Hanushevsky, Dorothee Hartinger, Alexandra Henkel, Daniel Jesch, Dietmar König, Annamária Láng, Birgit Minichmayr, Caroline Peters, Safira Robens, Martin Schwab, Dunja Sowinetz, Michael Wächter u.a.

Video: Mariano Margarit
Musik: Franziska Hatz & Richie Winkler
Dramaturgie: Markus Edelmann
Digitaldramaturgie und Kreativproduktion: Anne Aschenbrenner

Das ist die Verantwortung #7: DIE KLEINBÜRGER AUF DER HEUCHELLEITER von Thomas Bernhard, gelesen von Norman Hacker

"Wenn der Vorhang des Staates aufgeht, sehen wir an jedem österreichischen Tag (und also auch am Nationalfeiertag) ein Lustspiel für Marionetten. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, was wir immer gesehen haben: Die Marionetten sind das schwachsinnig unbelehrbare Volk, und die daran ziehen (die Drahtzieher), die das Volk für dumm verkaufende Regierung.“ 
Mit dieser Passage endet Thomas Bernhards Text zum österreichischen Nationalfeiertag 1977, DIE KLEINBÜRGER AUF DER HEUCHELLEITER. Geschrieben hat er ihn für eine Anthologie mit dem Titel GLÜCKLICHES ÖSTERREICH des Salzburger Residenz Verlags. Aus Angst vor einer Klage wurde der Text in diesen Band nicht aufgenommen, worin Bernhard wiederum den Vorteil sah, „daß ich nie wieder aufgefordert werde, einen Beitrag für eine Anthologie zu machen“. Eine Woche nach seiner Erstveröffentlichung am 17.2.1978 in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit wurde Bernhards Text vom Salzburger Volksblatt nachgedruckt – unter folgender Überschrift: EINE FRECHE NEUE HAßORGIE VON THOMAS BERNHARD. EIN AGGRESSIVES PAMPHLET DES SCHRIFTSTELLERS GEGEN SEINE HEIMAT.

Der Österreicher findet sich mit jeder Tatsache ab, oder er geht zugrunde, wenn er nicht dadurch längst zugrunde gegangen ist, daß er sich abgefunden hat.
Thomas Bernhard aus: DIE KLEINBÜRGER AUF DER HEUCHELLEITER

Das ist die Verantwortung #6: WIENER BLUT von George Tabori, gelesen von Stefko Hanushevsky 

George Tabori zählte zu den führenden Dramatiker:innen seiner Zeit. Er wurde 1914 in Budapest geboren. Zwanzigjährig musste er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach London emigrieren, wo er sein Debüt als Schriftsteller gab. Der Vater und andere Familienangehörige wurden im KZ ermordet. Seine Mutter entkam der Deportation durch einen Zufall. Ihr hat er mit MUTTERS COURAGE ein berührendes Denkmal gesetzt. 

Nach Jahrzehnten im Exil - vor allem in den USA - kehrte er 1969 nach Europa zurück - und kam schließlich auch nach Wien.

Mit Uraufführungsinzenierungen eigener Stücke wie MEIN KAMPF, DIE GOLDBERG-VARIATIONEN und REQUIEM FÜR EINEN SPION, in denen er seine jüdische Herkunft auf satirische Weise thematisierte, setzte er neue Maßstäbe. Seine Regiearbeiten, darunter OTHELLO und FIN DE PARTIE mit Gert Voss und Ignaz Kirchner wurden legendär. Obwohl er 1999 ans Berliner Ensemble wechselte, blieb Wien für ihn ein wichtiger Ort, den er wegen des Publikums und seiner Nähe zu Ungarn vermisste.

 

Und wie ist das Land, wo die Mozartkugeln blühen?
Identität ade, Selbstbildnis in Scherben, was bleibt übrig als die Fahnen hoch?
George Tabori aus: WIENER BLUT

Das ist die Verantwortung #5: AUFRUF ZUM MIßTRAUEN von Ilse Aichinger, gelesen von Dorothee Hartinger

Unter anderem mit ihrem Roman Die größere Hoffnung, der ab Ende 1945 / Anfang 1946 entstanden ist und 1948 erschienen ist, wurde Ilse Aichinger (1921–2016) zu einer der wichtigsten Schriftsteller:innen nach dem 2. Weltkrieg. Als Beginn der österreichischen Nachkriegsliteratur hat Hans Weigel den Kurzprosatext Aufruf zum Mißtrauen betrachtet, den Ilse Aichinger 1946 in der Sonderausgabe Stimme der Jugend der österreichischen Zeitschrift Plan veröffentlichte. 
In Zeiten sprachlicher Verrohung und Manipulation, kann Ilse Aichingers Schreiben eine Hilfe sein, Misstrauen zu lernen – „Misstrauen zur etablierten Sprache und zu dem, was man selbst sagt, zu den Worten, die verkürzt sind und die man eigentlich so nicht mehr verwenden kann, weil sie dann unwahrhaft bleiben“ (Ilse Aichinger, 1982).

Verstehen Sie richtig. Sie sollen nicht Ihrem Bruder mißtrauen, nicht Amerika, nicht Rußland und nicht Gott. Sich selbst müssen Sie mißtrauen!
Ilse Aichinger aus: AUFRUF ZUM MIßTRAUEN

Das ist die Verantwortung #4: UNTERWEGS VERLOREN von Ruth Klüger, gelesen von Franziska Hackl

Ruth Klüger, geboren 1931 in Wien, gestorben 2020 in Irvine (Kalifornien), überlebte als Kind den Holocaust. Sie emigrierte 1947 in die USA, wo sie an verschiedenen amerikanischen Universitäten – zuletzt an der University of California in Irvine – Germanistik lehrte. Neben bedeutenden literaturwissenschaftlichen Arbeiten schuf sie mit ihren autobiografischen Texten weiter leben (1992) und unterwegs verloren (2008) zentrale Werke der Erinnerungsliteratur – und machte damit eindrucksvoll erfahrbar, dass die Erinnerung für das Verständnis der Gegenwart ganz zentral ist. Während in weiter leben die von Repressionen geprägte Kindheit und das Überleben in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Christianstadt geschildert wird, thematisiert unterwegs verloren die neue Existenz in den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit schonungsloser Klarheit reflektiert sie etwa ihr Verhältnis zur Muttersprache Deutsch und zur Geburtsstadt Wien.

Die Verwalterin von Ruth Klügers Nachlass, Gesa Dane, stellt uns die für die Online-Lesereihe Das ist die Verantwortung ausgewählte Passage aus unterwegs verloren kostenlos zu Verfügung – „ganz im Sinne von Ruth Klüger“, wie sie schreibt. Danke!

Wiens Wunde, die ich bin, und meine Wunde, die Wien ist, sind unheilbar. Läppisch gerät jeder Versuch, Versöhnung anzustreben. Nur eitern und den ganzen Körper infizieren müssen und sollen solche Wunden nicht, das kann durch Nachdenken und Reden verhindert werden; das wäre doch schon was, und zwar gar nicht wenig.
Ruth Klüger aus: UNTERWEGS VERLOREN

23.01.2025, #3: DAS LEBEWOHL - NEIN: DIE ANKUNFT (2000 - 2025) von Elfriede Jelinek, gelesen von Caroline Peters

Elfriede Jelineks Theatertext Das Lebewohl ist in Reaktion auf die Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000 entstanden und nimmt Bezug auf Jörg Haiders „Rückzug“ aus der Bundespolitik und seine „Heimkehr“ in die Kärntner Landespolitik im März 2000. Die Urlesung des Textes fand am 22. Juni 2000 im Rahmen einer Donnerstagsdemonstration am Wiener Ballhausplatz statt. Anlässlich einer möglicherweise bevorstehenden Kanzlerschaft der FPÖ hat Elfriede Jelinek ihren – nun mit Das Lebewohl – nein: Die Ankunft betitelten – Text überarbeitet, wobei deutlich wird, dass ihre scharfsichtige Analyse rechtspopulistischer Rhetorik und faschistischer Ideologie keiner allzu starken Aktualisierung bedarf. 

Wir taten Unrecht, doch jetzt bekommen wir Recht. Wir sind ausgewählt. Wir schwören, wir warns nicht, und schon waren wirs wirklich nicht.
Elfriede Jelinek aus: DAS LEBEWOHL - NEIN: DIE ANKUFT (2000 - 2025)

Das ist die Verantwortung #2: DIE MOLUSSISCHE KATAKOMBE von Günther Anders, gelesen von Daniel Jesch

Der Roman „Die molussische Katakombe“ bildet den Höhepunkt des erzählerischen Werkes von Günther Anders. Geschrieben noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den 1930er Jahren schildert er gleichsam als Warnung die psychologischen Mechanismen totalitärer Herrschaft. Ort der Handlung sind die Gefängniskatakomben von Molussien, ein fiktives, von einem autokratischen Regime beherrschtes Land. In einer Zeit der Lügen und Verblendung, die die Oberwelt beherrscht, soll die erhellende Stimme der Vernunft in der Dunkelheit der Katakombe nicht verstummen.

Bertolt Brecht hatte das Manuskript an einen Verlag vermittelt. Zur Veröffentlichung kam es nicht mehr: Anders floh bereits 1933 nach dem Reichtagsbrand aus Deutschland. Seine Ehefrau Hannah Arendt brachte ihm das Manuskript ins Exil nach Paris mit. Dennoch konnte der Roman erst in Gunther Anders Sterbejahr 1992 veröffentlicht werden.

Was gewöhnlich unterdrückt wird, ist nicht die Äußerung der Meinung, sondern das Zustandekommen einer eigenen Meinung. Solange solche ,eigene Meinung‘ nicht existiert, braucht ihre Äußerung natürlich nicht unterdrückt zu werden – solange gibt es eben – ,freie Meinungsäußerung‘.
Günther Anders aus: DIE MOLUSSISCHE KATAKOMBE

Das ist die Verantwortung #1: FASCHISMUS UND POPULISMUS von Antonio Scurati, gelesen von Martin Schwab 

Der italienische Intellektuelle und Bestsellerautor Antonio Scurati thematisiert in seinem jüngsten Essay "Faschismus und Populismus" die Popularität faschistischer, rechtsextremer und ultra-reaktionärer Politik und sieht die Gründe im wieder salonfähigen Populismus – der unter anderem auf Benito Mussolini zurückgeht. 

Die erste veröffentlichte Lesung der Reihe wurde im Rahmen des Projekts DEMOKRATIE HAT ZUKUNFT in der Spielzeit 2023/2024 aufgezeichnet, alle weiteren Lesungen werden ab nun neu produziert.

Ich bin das Volk. Das Volk bin ich. Es versteht sich von selbst, dass dies ausreicht, den Populismus als eine starke antidemokratische Tendenz zu definieren.
Antonio Scurati

Die Online-Lesereihe DAS IST DIE VERANTWORTUNG mit Texten für eine demokratische Gesellschaft erscheint jeden Donnerstag ab 18 Uhr auf YouTube, Spotify und der BURG-Website. Das Programm wird laufend an dieser Stelle veröffentlicht. 

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