Der Tartuffe

Deutsch von Simon Werle
In Molières Komödie gibt Tartuffe vor, die Frömmigkeit in Person zu sein, und erlangt dadurch die Gunst von Orgon, der mit seiner Familie in gutbürgerlichen Verhältnissen lebt. Dieser nimmt Tartuffe nicht nur in seine Reihen auf, bietet ihm Unterkunft und Verpflegung, sondern vertraut ihm leichtgläubig seinen Besitz, seine Geheimnisse und seine Tochter Mariane an, die eigentlich in Valère verliebt ist. Unverständnis und Misstrauen gegenüber Tartuffe machen sich in der Familie breit, bis Orgons Gattin Elmire den Hochstapler schließlich enttarnt.
Barbara Frey untersucht in ihrer Inszenierung die Mechanismen der Manipulation und zeigt die Abgründe einer Gesellschaft, die „das Gute“ ganz genau zu kennen scheint.
- Regie:
Barbara Frey,
- Bühne:
Martin Zehetgruber,
- Mitarbeit Bühne:
Stephanie Wagner,
- Kostüme:
Esther Geremus,
- Kostüm-Mitarbeit:
Maria-Lena Poindl,
- Musik:
Barbara Frey,Josh Sneesby,
- Licht:
Reinhard Traub,
- Dramaturgie:
Lena Wontorra,
Besetzung
Josh Sneesby / Tino Klissenbauer (Jean, Hausmusiker)
MIR BLEIBT DIE SPUCKE WEG.
- Zur Feier des 80. Geburtstages unseres Ensemblemitgliedes Barbara Petritsch, fand am 28. Feburar eine Festvorstellung von DER TARTUFFE statt, bei der Mavie Hörbiger einen Text von Ferdinand Schmalz verlesen hat.
Diesen Text finden Sie hier zum nachlesen. Wir gratulieren Barbara Petritsch von ganzem Herzen zum 80. Geburtstag!
barbara petritsch verbringt ihre sommer und überhaupt die probenfreie zeit meist in admont, wo sie auch aufgewachsen ist, oder um genauer zu sein, verbringt sie ihre zeit in hall „drenten“, von der kirche aus gesehen über die enns „drenten“, weil dass die kirche und die petritsch auf derselben seite des flusses wären, das ginge dann doch etwas zu weit. obwohl man erst kürzlich wieder im großinquisitor bewundern konnte, wie fein maliziös barbara die mechanismen, die die kirche im inneren zusammenhält, darzustellen vermag. wie sie in jede phaser eines klerikalen machtdenkens vorzudringen im stande ist, dass es einen da im sonst so wohlig weichen sitz des akademietheaters kalt den rücken runter rennt. was ist das für ein seltsames gefühl, das einen befällt, wenn man sie da in die abgründigsten rollen reinschlüpfen sieht, wenn sie einem scheinbar harmlosen lächeln so viel mehr mitgibt, wenn sie von einem augenblick zum anderen, mit einem blick hinein ins dunkel des publikumsraumes einen temperatursturz auszulösen vermag. für dieses gefühl, das uns als publikum befällt, sieht man sie spielen, kennt der sprachraum rund um admont den ausdruck „entrisch“. „entrisch“ wird einem da zumute. was so viel wie unheimlich, wundersam oder ungeheuer bedeutet. von einem mystisch aufgeladenem drüben oder draußen kommend. als „entere gründe“ beispielsweise bezeichnete man früher gründe weit draußen vor der stadt. sphären außerhalb des wohlbekannten, des geregelten und rechtschaffen, wo sich die unbescholtenen stadtbürger:innen beginnen leicht unwohl zu fühlen. barbaras spiel rührt immer wieder an jene punkte, wo etwas von drüben reinragt ins scheinbar sicher abgesteckte. gerade dort wo etwas ins kippen kommt, wo die schönen fassaden bröckeln um den blick in eine dunkle leere dahinter freizugeben, wo es aus den ach so schmucken kleinbürger:innenleben, wie eine dunkle mure hervorbricht, dort kommt ihre kunst zu sich, dort entwickelt sie eine geradezu kindliche entdeckungslust, da blitzt etwas auf in petritschs augen, da wird es "entrisch".
und auch wenn das erst mal düster klingt, diese brutalen figuren, für die das feuilleton schon mal einen waffenschein gefordert hat, diese niederträchtig handelnden, und wüsten charaktere, so macht es einen doch immer wieder hoffnungsvoll barbara spielen zu sehen, denn wenn eine, wie sie, es schafft in diese abgründe hinabzusteigen, sich in das menschliche labyrinth zu wagen, das sich auf der dunklen seite, der "entrischen", auftut und doch so ein herzlicher, herzensguter mensch wie sie, die barbara, bleibt, dann gibt es für uns alle hoffnung. wie sie das immer wieder anstellt, bleibt ein geheimnis von petritschts mysterium, ein leiser verdacht aber bleibt, dass sie aus diesen menschenlabyrinthen, aus diesen modrigen seelenkellern mit einem feinen faden wieder herausfindet und dieser faden ist die sprache. ihre sprache, die immer wieder eine lebenswichtige distanz zum dargestellten schafft, die eine lücke auftut, durch die ein lachen herein fällt. barbaras sprachkunst die an horvath, jean genet, an wolfi bauer, an jelinek und kathrin röggla geschult ist, kennt all die düstren ecken und fallstricke und bleibt doch immer hellwach und (sprach)verspielt. vielleicht ist das diese perverse theaterrettungsidee, wie es werner schwab einmal nannte, sprache in reines menschenfleisch umzuwandeln ... und selbstnatürlich umgekehrt. aus ihrem stoff ist der faden gemacht, den barbara immer wieder, über all diese abgründe spannt, auf dem sie leichtfüßig, wie eine clowneske seiltänzerin, ihre kunststücke vollbringt, die uns als publikum immer wieder in herrlich "entrisches" staunen versetzen.
von ferdinand schmalz














